VON SÜDTIROL BIS SIZILIEN – WEIHNACHTEN IN ITALIEN
Von heilig bis herrlich verrückt – die Weihnachtszeit in Italien ist absolut vielseitig. Sie ist mehr als ein Fest, sie ist ein kulturelles Erlebnis voller Traditionen, die von Region zu Region variieren.
Wann beginnt und endet die Weihnachtszeit?
Die offizielle Weihnachtszeit beginnt traditionell am 8. Dezember (Festa dell’Immacolata) — an dem vielerorts bereits der Weihnachtsbaum und die Krippe aufgestellt werden — und endet am 6. Januar. In der Nacht zu diesem Tag ist La Befana - eine freundliche, hexenähnliche Gestalt - auf ihrem Besen unterwegs und legt kleine Geschenke in die Socken der braven Kinder. Für Unartige hat sie nur Kohle dabei, die heutzutage jedoch meist aus Zucker hergestellt ist.
Die Bescherung in Italien. Wann gibt es Geschenke?
Der Zeitpunkt der Bescherung ist in Italien keineswegs einheitlich – er variiert je nach Region, Familie und Tradition. In Teilen Norditaliens beginnt die Freude schon früh: Dort bringt Santa Lucia den Kindern am 13. Dezember kleinere und größere Geschenke. Traditionell stellen die Kinder etwas zu essen für Santa Lucia bereit und für den Esel der Heiligen eine Karotte oder etwas Wasser.
In vielen Familien, besonders im Süden und in religiös geprägten Haushalten, findet die Bescherung am Heiligabend statt. Nach dem festlichen Abendessen bringt Gesù Bambino (das Christkind) die Geschenke oft erst spät in der Nacht. Doch auch der 25. Dezember spielt eine Rolle: Am Morgen entdecken die Kinder die Päckchen, die Babbo Natale (der italienische Weihnachtsmann) nachts unter den Weihnachtsbaum gelegt hat.
Die italienische Weihnachtsküche - Traditionen am Tisch.
In vielen Regionen Italiens wird an Heiligabend, „La Vigilia“, kein Fleisch serviert. Stattdessen stehen Fisch und Meeresfrüchte im Mittelpunkt. Typische Gerichte sind Baccalà (Stockfisch), Spaghetti alle vongole, Meeresfrüchtesalat, marinierte Sardellen oder Oktopus-Kartoffelsalat. Ein etwas ungewöhnlicheres Gericht hat seinen Ursprung in Neapel: Caitone fritto, frittierter Aal. An der Adriaküste wiederum liebt man einen weihnachtlichen Fischeintopf namens Broeto. In Umbrien kommt mit Gobbi fritti auch eine fleischlose Speise auf den Tisch. Dabei handelt es sich um Gerichte aus Kardy, einer Distelart.
Diese Tradition der fleischlosen Küche an Heiligabend wird auch in italienisch-amerikanischen Familien in den USA unter dem Namen „Feast of the Seven Fishes“ gepflegt.
Am ersten Weihnachtsfeiertag gibt es hingegen meist mehrgängige, fleischbasierte Festmahlzeiten. Nach Klassikern wie Lasagne al forno oder Cannelloni als Vorspeise folgen als Hauptgang Kalbs- und Lammbraten, gefülltes Perlhuhn oder Kapaun.
Italienisch süß: typisches Weihnachtsgebäck
Panettone, der König des italienischen Weihnachtsgebäcks, ist im ganzen Land verbreitet. Ebenso bekannt ist Pandoro, ein sternförmiger, sehr fluffiger Kuchen ohne Rosinen. Weitere typische regionale Süßspeisen sind Struffoli, frittierte und in Honig gerollte Teigkügelchen, sowie die würzigen Weihnachtskekse Susamielli – beides aus der Region um Neapel. Eine toskanische Spezialität mit mittelalterlichen Wurzeln ist Panforte, ein Früchtebrot, das mit Vin Santo oder Espresso gegessen wird. Aus Apulien stammt der regionale Klassiker Cartellate, spiralförmiges Gebäck, das in Honig oder Vincotto getaucht wird.
Weihnachtsbräuche und Traditionen in Italien
Der katholische Glaube spielt eine große Rolle in den Bräuchen und Traditionen. Ab Mitte Dezember werden in vielen Gemeinden Novenen gebetet, an Heiligabend gehen viele Familien zur Mitternachtsmesse, und in zahlreichen Dörfern gibt es „Presepi viventi“ — lebendige Krippenspiele mit Darstellern und Kulissen. Im Norden Italiens trifft alpine Gemütlichkeit auf mediterrane Lebensfreude. Hier locken Christkindlmärkte mit Glühwein und traditionellen Speisen. In Süditalien ziehen die „Zampognari“ – Hirten mit Dudelsäcken – durch die Straßen und spielen alte Weihnachtslieder. Dieser Brauch geht auf die Zeit zurück, als Hirten aus den Bergen in die Städte kamen, um die Geburt Christi musikalisch zu ehren.
Wenn von italienischen Krippen die Rede ist, fällt schnell der Name Neapel: Die kleine Gasse Via San Gregorio Armeno ist eine Hochburg der Presepe-Kunst. Neben der Heiligen Familie finden sich dort Figuren von Handwerkern, Musikern und sogar Prominenten – eine Mischung aus Tradition und Humor.
Auch für ausgefallene Weihnachtsbräuche ist Italien ein wahres Schatzkästchen. So ziehen am 24. Dezember hunderte Männer in mittelalterlicher Kleidung mit bis zu vier Meter hohen Fackelbündeln, den sogenannten „’ndocce“, durch die Altstadt von Agnone. In einigen Küstenorten (z. B. in Ligurien, Apulien und am Gardasee) tauchen am selben Tag Männer in Weihnachtsmann-Montur unter Wasser, um eine Unterwasserkrippe zu besuchen. In der Höhlenstadt Matera wird zur Weihnachtszeit ein riesiges, filmreifes Live-Krippenspiel aufgeführt. Hunderte Darsteller ziehen durch die engen Gassen, Terrassen und Schluchten. Die größte beleuchtete Krippe der Welt befindet sich in Manarola auf einem Berg über dem Dorf an der zerklüfteten Küste der Cinque Terre. Das überwältigende Lichtspektakel ist alljährlich ab dem 8. Dezember zu bewundern.
Weihnachten in Italien erleben
Ob besinnlich oder ausgelassen, traditionell oder überraschend modern – Weihnachten in Italien vereint Gegensätze auf einzigartige Weise. Zwischen alpinen Weihnachtsmärkten im Norden und lebendigen Krippenspielen im Süden wird deutlich, wie tief verwurzelt der Glaube, die Familie und das gemeinsame Genießen in der italienischen Kultur sind. Jede Region erzählt ihre eigene Weihnachtsgeschichte, doch überall stehen Gemeinschaft und Lebensfreude im Mittelpunkt. Wer die Weihnachtszeit in Italien erlebt, begegnet nicht nur festlichen Bräuchen, sondern einem Gefühl von Zugehörigkeit.
Buon natale!